Ökolandbau – Quo vadis?

Ökolandbau – Quo vadis?

27.11.2020 Aktuelles aus dem Unternehmen

Im Januar 2020 ist in Russland das Gesetz „Über die organische Landwirtschaft“ in Kraft getreten. Was hat sich in den vergangenen acht Monaten im Biosektor verändert? Welche neuen Produkte sind auf den Markt gekommen, auf welche müssen die Verbraucher noch warten? Wir sprachen mit Experten, um ihre Standpunkte zum Thema zu erfahren.

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Seit Inkrafttreten des Ökolandbau-Gesetzes im Januar 2020 gibt es in Russland Standards für die Herstellung und das Inverkehrbringen ökologischer Produkte. Sie regeln auch die Zertifizierung der Erzeuger. Mittlerweile gibt es zehn neue zertifizierte Ökobetriebe. Weitere 27 befinden sich in der Umstellungsphase.

„Eine Umstellung auf ökologische Landwirtschaft haben in den vergangenen Jahren nur einzelne Betriebe vollzogen“, erklärt Oleg Mironenko, Geschäftsführer des Nationalen Russischen Ökolandbauverbandes. „Gäbe es keine Einschränkungen im Zusammenhang mit COVID-19 hätten über 50 Betriebe ihre Produktion bereits umgestellt“.

Im Februar 2020 wurde in Russland das Einheitliche Verzeichnis der zertifizierten Erzeuger ökologischer Produkte der Russischen Föderation eingeführt, das Verbrauchern dabei hilft, sich vor irreführenden Kennzeichnungen und Aufmachungen zu schützen.

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„Laut Gesetz darf ein Lebensmittel nur dann mit dem Zeichen ‚bio‘ gekennzeichnet werden, wenn sein Hersteller in das Einheitliche Verzeichnis der zertifizierten Erzeuger ökologischer Produkte der Russischen Föderation aufgenommen wurde“, fährt Oleg Mironenko fort. „Bei bereits über 30 Unternehmen ist das der Fall. Diese sind berechtigt, ihre Produkte mit dem russischen Bio-Siegel zu kennzeichnen.“

Der Erzeuger eines Bio-Produkts muss auf der Verpackung einen QR-Code anbringen. Mithilfe dieses Codes kann sich der Verbraucher auf zuverlässigem Wege über den Hersteller informieren.

„In Russland nehmen zwei Kontrollstellen eine Zertifizierung vor: ‚Organic Expert‘ und ‚Rozkachestvo‘, sagt Oleg Mironenko weiter. „Wir beobachten, dass viele Unternehmen dieses Jahr ihre europäischen Zertifikate verlängert haben. Von 94 russischen Öko-Betrieben sind 30 im Besitz eines russischen Zertifikats, 76 haben sich nach einem europäischen System zertifizieren lassen. Dabei sind 80 % von ihnen nur auf dem russischen Markt tätig.“

Auch EkoNiva zählt zu den ökologisch wirtschaftenden Betrieben. Der Zuchtbetrieb Rassvet hat eine GOST-Zertifizierung für Pflanzenbau und Milchwirtschaft durch Roskachestvo durchlaufen. Das Unternehmen wurde bereits von dem europäischen Unternehmen Kiwa GmbH für Erzeugnisse des Pflanzenbaus zertifiziert.

„Der Milchertrag in unserem Betrieb beträgt heute 5 Tonnen Milch pro Tag“, sagt der Regionaldirektor für Nordwestrussland Maksim Vanin. „Die Zertifizierung unserer Produktion vergrößert unser Potenzial im Bio-Sektor. Wir können so auch das Bio-Sortiment von EkoNiva erweitern.“

Bislang bauen in Russland nur 14 Unternehmen den Bereich der ökologischen Erzeugung von Milch- und Fleischprodukten aus. Ihr Marktanteil an allen in Russland produzierten Bio-Lebensmitteln beträgt weniger als 50 %. Sie haben sich alle für die Erzeugung pflanzenbaulicher Produkte zertifizieren lassen, da sie Futtermittel für ihre Tiere produzieren. Über 40 Unternehmen sind auf den Pflanzenbau spezialisiert, 70 % – hierbei handelt es sich um kleinere Betriebe – verkaufen ihre Produkte nur auf dem russischen Markt. Die großen Pflanzenbaubetriebe produzieren vorwiegend für den Export.

„13 Unternehmen betreiben Bioanbau von Wildfrüchten, also Beeren, Pilze und Nüsse“, berichtet Oleg Mironenko. „Sie haben sich alle von ausländischen Kontrollstellen zertifizieren lassen. Sie produzieren fast ausschließlich für den Export. Es ist bedauerlich, dass es in Russland noch keine Betriebe im Bereich der ökologischen Aquakultur gibt. Das ist ein Markt mit großem Potenzial. Aber es fehlen hier wie auch auf dem Gebiet der Wildfrüchte ein ausgereifter GOST-Standard und Zertifizierungsstellen.“

Dafür sind dieses Jahr in Russland die ersten Unternehmen für die Produktion von Bio-Schokoladenkonfekt, Bio-Weinen und alkoholfreien Bio-Getränken an den Start gegangen. Der Unterschied zwischen konventionellen und ökologisch erzeugten Produkten ist bislang jedoch noch nicht allen Verbrauchern bewusst.

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„Bio-Lebensmittel sind in Russland ein echter Zukunftsmarkt“, so der Leiter des Geschäftsfeldes der ökologieorientierten Produktion der EkoNiva-APK Holding Anatoliy Nakaryakov. „Wir müssen noch das Vertrauen der Verbraucher gewinnen. Und dafür gilt es zunächst begreiflich zu machen, was Bio-Lebensmittel sind und welche Bedeutung sie für eine gesunde Ernährung haben. Nach meiner Auffassung sollten Bio-Produkte in Geschäften in gesonderten Regalen oder Bereichen platziert werden. Aber auch der Staat ist gefragt, hier Aufklärungsarbeit zu leisten. In Kindergärten und Schulen sollte das Ausgeben von Bio-Milch wie in vielen Ländern Standard werden.“

Wenn die Nachfrage nach Bio-Produkten steige, werde EkoNiva sein Sortiment und seine Produktion erweitern, so Anatoliy Nakaryakov. Dem Öko-Kontrollsystem unterstellt ist bereits der Betrieb MosMedynagroprom (Gebiet Kaluga), auch ein Milchbetrieb im Dorf Shchuchye (Gebiet Voronezh) plant eine Zertifizierung.

Bislang hoffen die Bio-Produzenten auf weitere staatliche Förderung und benennen konkrete, für ihre Branche wichtige Maßnahmen: Zuschüsse für die unmittelbaren Kosten der Öko-Zertifizierung, hektarbezogene Förderung der Hersteller von Bio-Lebensmitteln, die auch die Umstellungszeit umfasst, Subventionen pro Liter Warenmilch und pro Tonne Fleisch. Auch die ökologische Saatgutproduktion muss gefördert werden. Da in Russland kein ökologisches Biosaatgut produziert wird, muss eine Subventionierung der Saatgutproduktion für alle Arten landwirtschaftlicher Kulturen eingeführt werden: Mehrjährige Gräser, Getreide, Leguminosen, Industriepflanzen, Gemüse und Kartoffeln.

Auch ist ein Teil der aus der Verwendung von Biodüngemitteln und dem ökologischen Pflanzenschutz entstehenden Kosten auszugleichen. Es sollten auch Maßnahmen wie die Vergabe vergünstigter Kredite, eine Subventionierung im Bereich geschützter Gemüseanbau, Obstbaumschulen und Bienenzucht eingeführt werden.

Von Darya Denisova